EU-Kommission sieht KEINE verbotene Beihilfe durch § 3a EStG und § 7b GewStG.
Der deutsche Gesetzgeber muss aber nochmals aktiv werden.
Berlin/Frankfurt a.M., 15. August 2018
Die EU-Kommission hat in einem Brief an das Bundesfinanzministerium (BMF) mitgeteilt, dass sie in der vom deutschen Gesetzgeber geschaffenen Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne keine EU-rechtswidrige Beihilfe sieht. Das ist eine sehr gute Nachricht für sanierungsbedürftige Unternehmen und auch für bereits abgeschlossene finanzielle Restrukturierungen. Zwar fasste die EU-Kommission keinen entsprechenden Beschluss zur Beihilfefrage, sondern reagierte auf die Anfrage der Bundesregierung lediglich mit einem sogenannten „comfort letter“. Nach unserer Einschätzung ist die Rechtssicherheit bezüglich der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen dadurch aber ausreichend gesichert.
Hintergrund
Der Bundesfinanzhof hatte mit einer am 8. Februar 2017 veröffentlichten Entscheidung die Sanierung von Unternehmen in Deutschland faktisch unmöglich gemacht. Er urteilte, dass der sogenannte Sanierungserlass des BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoße. Auf der Grundlage dieses Sanierungserlasses hatte die Finanzverwaltung steuerliche Gewinne, die durch Forderungsverzichte von Gläubigern erzielt wurden, steuerfrei gestellt.
Diese Entscheidung führte zu erheblicher Unsicherheit bei Sanierungsvorhaben. Die Anreize, die der Gesetzgeber durch das sogenannte „ESUG“ (Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) schaffen wollte, wurden konterkariert. Der Gesetzgeber schuf daher mit § 3a EStG und § 7b GewStG relativ zügig eine gesetzliche Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne. Das Inkrafttreten des Gesetzes wurde aber unter den Vorbehalt eines Beschlusses der EU-Kommission gestellt, wonach die Neuregelung nicht als verbotene Beihilfe zu bewerten ist. Die Entscheidung der EU-Kommission war nun schon seit vielen Monaten mit Spannung erwartet worden.
Nun ist sie da, die Entscheidung. Inhaltlich wie erhofft, aber in der „falschen Form“ – da die Neureglungen einen Beschluss der Kommission erfordern, aber kein Beschluss ergangen ist, muss der Gesetzgeber erneut aktiv werden und das Beschlusserfordernis streichen. Es wird erwartet, dass das relativ zügig geschieht, indem man die Korrektur an ein anderes, bereits laufendes Gesetzgebungsverfahren „ankoppelt“.
Trotz des Freibriefs aus Brüssel kann es sein, dass ein deutsches Gericht in den neuen Regelungen eine EU-rechtswidrige Beihilfe sieht und diese Frage beim Europäische Gerichtshof vorlegt. Dieses Risiko wäre aber auch durch einen Beschluss der EU-Kommission nicht ausgeräumt worden. Und die Fälle, in denen es überhaupt zu einer Vorlage kommen könnte, sind praktisch kaum denkbar. Für den Gesetzgeber und die Finanzverwaltung bietet der Brief eine ausreichende Grundlage, um Sanierungsgewinne steuerfrei zu stellen.
Folgen für die Praxis
Durch die Mitteilung der EU-Kommission wird das bisher größte Hemmnis für Sanierungen in Deutschland beseitigt. Sanierungen mittels Insolvenzplan und Eigenverwaltung erhalten (wieder) den Stellenwert, den ihnen der Gesetzgeber mit dem ESUG einräumen wollte. Das alles gilt aber erst und nur dann, wenn der Gesetzgeber nun schnell handelt und die Bedingung für das Inkrafttreten des Gesetzes – Erforderlichkeit eines Beschlusses der EU-Kommission – aus dem Gesetz streicht.
Ergänzend ist Folgendes zu beachten: Die neuen Vorschriften finden nur auf Fälle Anwendung, in denen der Forderungsverzicht der Gläubiger nach dem 7. Februar 2017 wirksam wurde. Für zeitlich davor liegende Fälle hatte das BMF die Finanzverwaltung angewiesen, den alten Sanierungserlass weiterhin anzuwenden. Diese Anweisung hat der Bundesfinanzhof allerdings bereits mit zwei Entscheidungen vom 23. August 2017 für rechtswidrig erklärt. Daraufhin wies das BMF mit Schreiben vom 29.03.2018 die Verwaltung an, diese Rechtsprechungsgrundsätze nicht anzuwenden. Es dürfte daher auch bei den „Altfällen“ somit ein Schutz bestehen.
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