Deutsche Unternehmer und ausländische Investoren brauchen die Restrukturierung ihrer Unternehmen in Deutschland nicht mehr zu fürchten
Dieser Beitrag erschien in der Ausgabe Juli 2017 der Zeitschrift „maturus aktuell“, das Magazin der Maturus Finance.
Bis vor einigen Jahren führte die wirtschaftliche Krise bei Unternehmen fast ausschließlich in die Insolvenz, verbunden mit dem Stigma des persönlichen Scheiterns. Mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung (InsO) im Jahre 1999 schuf Deutschland ein deutlich moderneres Umfeld für Restrukturierungen, als es ihre Vorgängerin, die Konkursordnung, je bieten konnte: Die Insolvenzordnung ermöglicht es, ein Unternehmen zu retten, es überleben zu lassen. Denn seit der Einführung des Insolvenzplans im Jahre 1999 gibt es ein effektives Instrument, mit welchem Unternehmen mit ihren Gläubigern einen Vergleich zur Schuldenbereinigung abschließen können.
Gleichwohl verstummte die Kritik an dem Sanierungsstandort Deutschland nicht. Einer der Hauptkritikpunkte nach 1999 war die Allmacht der Insolvenzgerichte bei der Auswahl der Insolvenzverwalter, ohne einen wirklichen Einfluss der Gläubiger oder der Unternehmer. Das Eigenverwaltungsverfahren, bei welchem der Unternehmer trotz Insolvenzverfahren das Heft in der Hand behält, hatte einen echten Webfehler: Der Gesetzgeber 1999 hatte vergessen, auch für das in Deutschland übliche vorläufige Insolvenzverfahren die Möglichkeit der vorläufigen Eigenverwaltung zu eröffnen (Eigenverwaltungsverfahren blieben daher selten). Des Weiteren fehlte die Möglichkeit, gesetzlich ohne Insolvenzverfahren zu restrukturieren (im Fachjargon: vorinsolvenzlich oder außergerichtlich – also ohne (Insolvenz-)Gericht oder mit geringem gerichtlichen Einfluss). Ebenfalls fehlten gesetzliche Regelungen für die Restrukturierung von Konzernen. Und schließlich gab es auch vereinzelt Kritik an dem schärfsten Schwert des Insolvenzverwalters bezogen auf Vorgänge in der Vergangenheit – der Anfechtung von Transaktionen und Zahlungen innerhalb einer Zehnjahresfrist (§ 133 InsO). Das Schreckgespenst des § 133 InsO spielte eine erhebliche Rolle bei der gerichtlichen, teilweise sehr schmerzhaften „Aufarbeitung“ von gut gemeinten Sanierungskonzepten: Banken und Berater sahen sich häufig massiven Rückforderungsansprüchen ausgesetzt. Mit all dem ging die immer geringere Bereitschaft der Banken zu finanzieren – häufig ausgelöst durch die eigene starke internationale Regulierung – einher.
All die vorgenannten Kritikpunkte an den Rahmenbedingungen sind oder werden bald Geschichte: Die in 2012 in Kraft getretene Reform namens ESUG hat zu mehr Einfluss von Gläubigern und Unternehmern bei der Auswahl der Insolvenz- bzw. Sachwalter geführt. In dem inzwischen sehr renommierten Schutzschirmverfahren (einer speziellen Form der inzwischen eingeführten vorläufigen Eigenverwaltung) darf der Unternehmer „seinen Sachwalter mitbringen“; ab einer bestimmten Größenordnung, was Bilanzsumme, Umsatz und Arbeitnehmerzahl angeht, kann der sogenannte vorläufige Gläubigerausschuss in anderen Verfahrensarten den Insolvenz- bzw. Sachwalter bestimmen. Das deutsche Insolvenzverfahren ist schon nach Einführung des ESUG weltweit die Nummer drei (www.doingbusiness.org/rankings). Nur Finnland und Japan haben nach Angaben der Weltbank ein besseres Verfahren, um mit Unternehmensinsolvenzen umzugehen. Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren besteht bereits in Form eines Entwurfs einer EU-Richtlinie und nach dem endgültigen Inkrafttreten dieser EU-Richtlinie erwartet Deutschland ein solches Verfahren für 2019. Ein Insolvenzrecht für Konzerne (inklusive für Konzerninsolvenzen in Eigenverwaltung) wird im April 2018 in Kraft treten und seit einigen Monaten ist die harsche Zehnjahresfrist des § 133 InsO nur noch in extremen Ausnahmefällen einschlägig (zumeist gilt eine Vierjahresfrist). Schließlich hat sich auch die Finanzierungslandschaft geändert: Anstelle der klassischen Bankenfinanzierung finden sich auf dem deutschen Markt vermehrt moderne Finanzierungen wie Private Equity, Private Debt, Sale & Lease Back oder Distressed Funding, die sich allesamt durch eine sehr schnelle Reaktionszeit und höhere Flexibilität auszeichnen und eine erhebliche Rolle für den deutschen Mittelstand spielen.
Das deutsche Sanierungsumfeld wird abgerundet durch die Möglichkeit, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten Löhne durch das sogenannte Insolvenzgeld zu finanzieren. Schließlich leistet das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) einen erheblichen Beitrag mit Hinweisen und erprobten Standards, wie beispielsweise die Struktur und der Inhalt moderner Sanierungsgutachten.
Betrachtet man nun die bereits bestehenden und die zukünftigen Rahmenbedingungen, so ist Deutschland ein idealer Standort für die Restrukturierung von Unternehmen. Die betroffenen deutschen Unternehmer und ausländischen Investoren sollten sich also nicht fürchten, sondern eine wirtschaftliche Krise ihres Unternehmens als Chance sehen, welche auf ein ausgereiftes und professionelles Sanierungsumfeld stößt.
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